Metaphysik

Metaphysik
   (griech. = die Lehre von dem, was ”hinter“ den Naturdingen liegt), als Begriff um 70 v.Chr. für bestimmte Schriften des Aristoteles († 322 v.Chr.) geprägt, der Sache nach das ”Wissen“ vom Seienden im Blick auf das Sein (bei Aristoteles die ”Erste Philosophie“, ”sophia“) oder die Wissenschaft von der gesamten Wirklichkeit u. von deren erstem Ursprung oder Grund im Unterschied zu den ”begründeten“ Einzeldingen. Die zusammenhängend einander zugeordneten Themen der klassischen M. sind: Das Seiende in seinem Sein (Ontologie), der ”Überstieg“ zum Ersten als dem ausgezeichnet Seienden (philos. Theologie), die Zusammenhänge des Seienden (philos. Kosmologie), die menschliche Seele als ein ausgezeichnet Seiendes (philos. Psychologie). Der Aristotelismus versteht das Sein als identisch mit dem Geist (der wahren Substanz), der als einzig Beständiger allem wechselhaften Materiellen zugrundeliegt u. es eint u. auf den alles Seiende hin-orientiert ist. Nach A. Halder ist die M. durch ihr Geistdenken ”idealistisch“; weil für sie das ”Erste Sein“ in der Frage nach der Erstbegründung das Ersterkannte ist, ist sie ”transzendental “; da sie Substanz als ”bei-sich-seiendes Selbstverhältnis des Geistes“ versteht, ist sie Beginn einer Philosophie der Subjektivität. Ein ”zweiter Anfang der M.“ (L. Honnefelder) setzt Mitte des 12. Jh. ein u. führt zu einem neuen Höhepunkt des metaphysischen Denkens, wonach alles endlich Seiende durch die Prinzipien des Seins u.Wesens konstituiert u. daher auf die Verwirklichung durch einen ”reinen Akt“ des Seins verwiesen ist, bei Thomas von Aquin († 1274; Thomismus). Nach der positiven Einschätzung der M. bei I. Kant († 1804), der die M. als ”Naturanlage der Vernunft“ u. als ”Wissenschaft von den Grenzen der menschlichen Vernunft “ verstand, lebte die M. in unterschiedlichen Strömungen der idealistischen Philosophie im 19. Jh. weiter. Sie wurde zusammen mit diesen grundsätzlich bestritten durch die Anthropozentrik L. Feuerbachs († 1872), den Materialismus, die ”Existenztheologie“ S. Kierkegaards († 1855) u. die Kritik F. Nietzsches († 1900), der sie für eine ”Rationalisierung “ des menschlichen Sinnbedürfnisses, das ursprünglich von der Religion erfüllt wurde, hielt. Für M. Heidegger († 1976) ist die M. gerade durch ihr Fragen nach dem Seienden als solchem durch ”Seinsvergessenheit “ charaktierisiert; was sie anWahrem enthalte, sei in ein ursprüngliches Seinsdenken einzubringen. In einer vertiefenden Weiterführung des thomistischen Seinsdenkens durch Philosophen u. Theologen des 20. Jh. (J. Maréchal †1944; K. Rahner † 1984 u. a.) ist eine Erneuerung der M. zu sehen, die als unentbehrlich für die vernunftgemäße vergewissernde Reflexion der Theologie gilt. Neben der Ablehnung der M. durch rein empirisches u. positivistisches Denken ist auch in der Philosophie des 20. Jh. von der Phänomenologie bis zur sprachanalytischen Philosophie ein Weiterwirken metaphysischer Fragestellungen zu konstatieren.

Neues Theologisches Wörterbuch. . 2012.

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  • Metaphysik — »philosophische Lehre von den letzten Gründen und Zusammenhängen des Seins«: Die in dt. Texten seit dem 14. Jh. bezeugte Bezeichnung griech. Ursprungs bezieht sich darauf, dass die Schriften des altgriechischen Philosophen Aristoteles über die… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Metaphysik — (v. gr.), die Wissenschaft von den letzten Realgründen der Erscheinungswelt u. somit der Mittelpunkt des theoretischen Theiles der Philosophie. Der Name ist zufällig entstanden, indem die Anordner der Werke des Aristoteles (s.d.) den Schriften… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Metaphysik — (griech.), die Wissenschaft von den letzten Gründen des Seins, deren Name nach der gewöhnlichen Ansicht daher kommt, daß in der Sammlung der Schriften des Aristoteles die dem Inhalt nach der M. entsprechende »erste Philosophie« hinter der Physik… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Metaphysik — (grch.), Titel eines Buches des Aristoteles (»hinter der Physik«), später Bezeichnung der Wissenschaft von den letzten Gründen aller Dinge, dann (nach Hume) von den letzten Gründen unserer Erkenntnis der Dinge, nach Kants Kritik der reinen… …   Kleines Konversations-Lexikon

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  • Metaphysik — Metaphysik, griech., die Lehre vom Uebernatürlichen, von den höchsten Principien des Seins u. Lebens. Das Wort M. soll durch den Peripatetiker Andronik von Rhodos, einen Zeitgenossen des Cicero, aufgebracht worden sein, indem derselbe beim Ordnen …   Herders Conversations-Lexikon

  • Metaphysik — Sf Wissenschaft des Übersinnlichen per. Wortschatz fach. (18. Jh.) Entlehnung. Entlehnt aus ml. metaphysica aus gr. metaphysiká Neutrum Plural zu dem Adjektiv auf os über die Natur hinausgehend . Metaphysiká war zunächst die Bezeichnung von… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Metaphysik — Was sind die letzten Ursachen und Prinzipien der Welt? – Holzschnitt aus Camille Flammarions L Atmosphere (1888) Die Metaphysik (lateinisch metaphysica, von griechisch μετά, metá, „danach, hinter, jenseits“, und φύσις, phýsis, „Natur, natürliche… …   Deutsch Wikipedia

  • Metaphysik — Me|ta|phy|sik 〈f.; ; unz.〉 Lehre von den letzten, nicht erfahr u. erkennbaren Gründen u. Zusammenhängen des Seins [<grch. meta „nach, hinter“ + Physik] * * * Me|ta|phy|sik [auch, österr. nur: … zɪk], die; , en [mlat. metaphysica, zu griech. tà …   Universal-Lexikon

  • Metaphysik — Me|ta|phy|sik die; <aus gleichbed. mlat. metaphysica, dies zu gr. tà metà tà physiká »das, was hinter der Physik (steht)«, von dem griech. Philosophen Andronikos von Rhodos (✝ 80 v. Chr.) geprägter Titel für die philos. Schriften des… …   Das große Fremdwörterbuch

  • Metaphysik — metafizika statusas T sritis fizika atitikmenys: angl. metaphysics vok. Metaphysik, f rus. метафизика, f pranc. métaphysique, f …   Fizikos terminų žodynas

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